Eine überstandene Cov 2 Infektion ist ein Grund zur Freude. Endlich wieder das Haus verlassen, endlich zurück in den Alltag. Doch nicht für alle Menschen bedeutet ein negativer Test auch die Rückkehr zur Normalität. Schätzungen des deutschlandweit ersten "Long Covid Instituts" in Rostock nach sind derzeit bis zu einer Million Menschen in Deutschland von Long Covid betroffen (Stand: 12.11.2022). Menschen allen Alters leiden unter den Spätfolgen der Coronainfektion. Doch was bedeutet Long Covid? Und was kannst du tun, wenn du den Verdacht hast, daran erkrankt zu sein? Diese Fragen beantworten wir dir in diesem Ratgeber.

 

Was ist das Long Covid Syndrom?

Über die letzten drei Jahre hat die Wissenschaft viel über das Coronavirus in Erfahrung gebracht. Aufgrund der Erkenntnisse konnten Impfstoffe und Medikamente entwickelt werden. Auch Langzeitfolgen sind identifiziert worden. Infolge einer Covid 19 Erkrankung kann es zu anhaltenden Beschwerden kommen. Darunter Long Covid oder Post Covid. Wie häufig es zu Langzeitfolgen wie Long Covid kommt, konnte bislang noch nicht sicher ermittelt werden, da es noch keine aussagekräftigen Langzeitstudien gibt. Aufgrund der S1 Leitlinie zu Post und Long Covid, die im Juli 2021 veröffentlicht worden ist, geht man davon aus, dass rund 15 Prozent aller Patientinnen und Patienten nach einer Infektion mit Covid 19 von Long Covid Symptomen betroffen sind.

Der Begriff Long Covid wurde vor allem durch die sozialen Medien geprägt. Berichten zufolge wurde er zum ersten Mal im Mai 2020 auf Twitter verwendet, um den anhaltend schlechten Zustand nach einer überstandenen Infektion zu beschreiben.

Long Covid nach Cov 2 Infektion: welche Rolle spielt die Virusvariante?

Omikron, die momentan vorherrschende Variante des Coronavirus, ist sehr ansteckend, was in der Summe zu mehr Long Covid Fällen führen kann. Allerdings hat der Schweregrad der Krankheit nachweislich Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit von Langzeitfolgen. Je schwerer der Krankheitsverlauf ist, desto höher ist das Risiko für Long oder Post Covid. Die Delta-Variante, die vor Omikron die meisten Fälle von Covid 19 Erkrankungen ausgemacht hat, ist zwar weniger ansteckend, aber aggressiver im Krankheitsverlauf.

Hervorzuheben ist, dass Long und Post Covid auch nach einem milden Verlauf auftreten können. Bisherige Forschungsergebnisse machen deutlich, dass zehn bis zwanzig Prozent aller Betroffenen zuvor einen milden Verlauf durchlebt haben.

Wann macht sich Long Covid frühstens bemerkbar?

Wenn die Symptome über mehr als vier Wochen nach der Covid 19 Infektion bestehen, spricht man in Fachkreisen vom Long Covid Syndrom. Es ist möglich, dass die Symptome gleichbleibend vorhanden sind oder neu auftreten. Eine Verschlechterung ist ebenfalls möglich. Das macht es für Betroffene schwer, die Krankheit mit der zurückliegenden Coronainfektion in Zusammenhang zu bringen. Das vielfältige Krankheitsbild erschwert die Diagnose zusätzlich.

Wann spricht man vom Post Covid Syndrom?

Von einem Post Covid 19 Syndrom ist auszugehen, wenn die Symptome mindestens zwölf Wochen nach der Covid 19 Infektion noch nicht abgeklungen sind. Diese Definition hat das britische National Institute for Health and Care Excellence ins Leben gerufen, um eine Abgrenzung beider Langzeitfolgen zu ermöglichen. In Bezug auf die Symptomatik besteht kein Unterschied. Die Dauer ist der ausschlaggebende Indikator.

Symptome von Longcovid

Bislang ergibt sich aus der Vielzahl mit Long Covid zusammenhängender Symptome kein einheitliches Krankheitsbild. Das erschwert die Diagnostik. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat mehr als 200 mögliche Beschwerden aufgelistet, die als Langzeitfolge des Coronavirus in Frage kommen. Die folgende Auflistung umfasst die am häufigsten auftretenden Beschwerden:

  • Kurzatmigkeit bis hin zu Atemnot

  • Müdigkeit, Erschöpfung

  • Konzentrationsschwierigkeiten, Gedächtnisprobleme

  • Schlafstörungen

  • Muskelschmerzen, Muskelschwäche

  • Herz Kreislauf Erkrankungen wie Herzmuskelentzündungen

  • Schädigung der Organe

Dies ist nur ein kleiner Ausschnitt aus der langen Liste der möglichen Symptome von Long Covid und Post Covid. Solltest du unter einem oder mehreren dieser Beschwerden leiden oder dich nach einer Covid 19 Erkrankung über einen langen Zeitraum weiterhin krank und erschöpft fühlen, raten erfahrene Ärztinnen und Ärzte, der Intuition zu folgen und die eigene Gesundheit ernst zu nehmen.

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Das Fatigue Syndrom: Die tückische Erschöpfung

Müdigkeit ist nach Infektionskrankheiten zunächst vollkommen normal und kein Grund zur Sorge. Auch nach einer Ansteckung mit Sars Cov 2 ist eine Erholungsphase wichtig. Der Körper muss sich von der durchgemachten Infektion erholen. Kritisch wird es, wenn der Zustand der Erschöpfung über Wochen besteht und keinerlei Besserung eintritt. Dann kann es sich bei der bleiernen Müdigkeit um das sogenannte Erschöpfungssyndrom handeln.

Das Fatigue Syndrom (ME/CFS) ist mehr als Abgeschlagenheit. Es handelt sich um eine ernstzunehmende Krankheit. Sie besteht über mindestens sechs Monate, im schlimmsten Fall sogar dauerhaft. Beim chronischen Fatigue Syndrom handelt es sich allerdings um eine eigenständige Erkrankung, die nicht als Symptom auftritt.

Die Ursache für das Syndrom ist bislang unklar. Es tritt in Zusammenhang mit verschiedenen Krankheiten auf, so auch Long Covid. Da es keinen speziell auf ME/CFS zugeschnittenen Test gibt, erleben Patientinnen und Patienten häufig eine lange und kräftezerrende Suche nach einer Diagnose. Diese wird im Ausschlussverfahren gestellt. Kliniken wie die Uniklinik Köln erforschen die Wirksamkeit verschiedener Therapieansätze. In Köln prüft man die Auswirkung einer gezielten Bewegungstherapie auf das Fatigue Syndrom bei Krebspatientinnen und -patienten. Die Ergebnisse könnten auch Long Covid Erkrankten zu Gute kommen.

Menschen, die mit dem chronischen Erschöpfungssyndrom leben müssen, fällt es schwer, ihren Alltag zu bewältigen. Die Lebensqualität ist erheblich gestört. Schon nach dem Aufwachen fühlen sie sich ausgelaugt und übernächtigt. Betroffene beschreiben diesen Zustand als unkontrollierbar. Ist absehbar, dass sich das Syndrom durch Medikamente und Therapien nicht vollständig beheben lässt, wird der Behandlungsschwerpunkt darauf gelegt, Patientinnen und Patienten dabei zu helfen, mit dem Fatigue Syndrom zu leben.

Risikogruppen: diese Faktoren können Long Covid begünstigen

Da der Verlauf der Coronainfektion Auswirkungen auf die Wahrscheinlichkeit von Langzeitfolgen hat, überschneiden sich die Risikogruppen. Grunderkrankungen wie Krebs oder eine Immunschwäche belasten den Körper und gelten als Risiko für einen schweren Verlauf. Außerdem spielt der Lebensstil eine wichtige Rolle. Rauchen und Übergewicht können bereits den Verlauf einer Covid 19 Erkrankung beeinflussen. Risikofaktoren können in allen Altersgruppen auftreten.

Statistiken nach sind Menschen über 60 und Frauen häufiger von Long und Post Covid betroffen. Berufsbedingt sind Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten, ebenfalls häufiger von Langzeitfolgen betroffen. Für sie wird ihr ohnehin anstrengender Job dann zu einer oft nicht mehr tragbaren Belastung.

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Long Covid: welche Rolle spielt das Epstein Barr Virus?

Etwa 90% aller Menschen infizieren sich im Laufe ihres Lebens mit dem Epstein Barr Virus (EBV), einem Virus aus der Familie der Herpesviren. Die Ansteckung erfolgt am häufigsten im Kindesalter und bleibt ohne Symptome. Bei Erwachsenen kann sich EBV als das Pfeiffersche Drüsenfieber äußern. In schlimmen Fällen kann es zu lebensbedrohlichen Komplikationen kommen.

Untersuchungen im Rahmen von Pilotstudien haben ergeben, dass Long Covid zu einer Reaktivierung der Epstein Barr Viren führen kann. 66,7% der getesteten Patientinnen und Patienten, die an Long Covid erkrankt sind, wiesen die Reaktivierung auf. Die Symptome beider Erkrankungen ähneln sich weitestgehend, so ist eine der häufigsten Auswirkungen von EBV eine schwerwiegende Erschöpfung.

Kann Long Covid Kinder betreffen?

Nicht nur Erwachsene und Jugendliche können von Long Covid betroffen sein. Kinder können ebenfalls an Long Covid und Post Covid erkranken. Das belegen Studien. Das Risiko liegt den Ergebnissen nach bei 0,8 bis 13,3 Prozent. Die Zahlen beziehen sich auf das Risiko nach einer Delta-Infektion. Kinder erkranken im Vergleich zu Erwachsenen seltener schwer. Obwohl ein schwerer Verlauf die Wahrscheinlichkeit einer Long Covid Erkrankung steigert, zeigt sich, dass Kinder, die unter Long Covid leiden, zuvor nur wenige bis keine typischen Covid 19 Symptome gezeigt haben.

Anlaufstellen für Betroffene: dort findest du Hilfe

Wenn du Langzeitfolgen hinter deinen anhaltenden, sich verschlimmernden oder neu auftretenden Symptomen vermutest, kannst du dich an deinen Hausarzt oder deine Hausärztin wenden. Tückisch ist, dass die Symptome von Long Covid und Post Covid bereichsübergreifend sind. Verschiedene Fachärzte und Fachärztinnen sind für die Beurteilung zuständig.

Aufgrund der steigenden Zahl Betroffener gibt es immer mehr Praxen und Kliniken mit Sprechstunden, die sich gezielt an Long Covid Erkrankte richten. Im Rahmen dieser Sprechstunden geht es vor allem darum, von dir geschilderte Symptome zu überprüfen. Sie werden von Ärzten und Ärztinnen eingeordnet, die sich ausführlich mit Covid 19 und Long Covid befasst haben. Im Verlauf der Behandlung müssen zunächst andere Erkrankungen ausgeschlossen werden. Wenn die Beschwerden auf eine Covid 19 Erkrankung zurückzuführen sind, wirst du mit Informationen zu entsprechenden Behandlungsstrategien versorgt. Der Behandlungsplan ist so individuell wie die Zusammensetzung der jeweiligen Symptome.

So wird Long Covid behandelt

Wie bereits gesagt: Long Covid ist eine sehr individuelle Erkrankung. Dasselbe gilt für Post Covid. Das bedeutet, nicht jede Therapie, die für andere in Frage kommt, hat bei dir denselben Effekt. Alle unterschiedlichen Ansätze eint jedoch ein Ziel: die Rehabilitation von Long Covid/Post Covid Erkrankten. Ihnen soll eine Rückkehr in ihren Alltag ermöglicht werden. Dazu zählt sowohl der berufliche Alltag, als auch das Freizeit- und Familienleben. All das kann durch das Long Covid Syndrom in erhebliche Schieflage geraten. Das plötzliche Ausfallen und die teils erheblichen Beschränkungen des vormals normalen Lebens können Auswirkungen auf die psychische Gesundheit haben. Der Kontrollverlust, der mit der Erkrankung einhergeht, ist beängstigend und belastend. Betroffene berichten von depressiven Verstimmungen, Angststörungen und posttraumatischen Belastungsstörungen.

  • Atemtherapie

  • Ergotherapie

  • Bewegungstherapie

  • Psychologische Betreuung (z.B. Austausch mit anderen Betroffenen in Form von Selbsthilfegruppen)

  • Neurologische Therapien

  • Innovative Therapien (z.B. Höhentraining)

  • Reha

Medikamente gegen Langzeitfolgen

Eine medikamentöse Behandlung von Long Covid ist möglich. Da die Symptome von Long Covid in vielen Fällen nicht auf eine klare körperliche Ursache zurückzuführen sind, sind die Mittel aus medizinischer Sicht jedoch begrenzt. In klinischen Studien werden Medikamente getestet, die bereits wirksam gegen Covid 19 oder andere Erkrankungen eingesetzt werden konnten. Unter anderem erforscht die Charité Berlin den Einsatz des Herzmedikaments Vericiguat gegen sogenannten "Brain Fog", der als eines der Hauptsymptome von Long Covid gelistet wird.

Da das Spektrum der Symptome von Long Covid enorm breit gefächert ist, stehen Medizinerinnen und Mediziner sowie Forschende vor einer großen Aufgabe. Jedes Symptom bedarf einer individuellen Behandlung. Es gibt bislang kein Mittel, das Long Covid als Ganzes bekämpfen kann.

So kannst du Long Covid vorbeugen

Komplett verhindern lassen sich sowohl Covid 19 als auch Long Covid leider nicht. Aber ein umsichtiger Umgang mit dir selbst und deinen Mitmenschen kann das Risiko einer Ansteckung, und damit auch von Langzeitfolgen, erheblich verringern. Das Vorbeugen setzt schon vor der Covid 19 Infektion an. Schütze deine Gesundheit, indem du dich an die AHA-Regeln hältst. Regelmäßiges und gründliches Händewaschen, Abstand und das Tragen einer Alltagsmaske senken die Gefahr einer Infektion.

Die wirksamste vorbeugende Maßnahme bleibt die Impfung gegen Covid 19.

Schützt eine Impfung vor Long Covid und Post Covid?

Die Impfung ist der effektivste Schutz gegen eine Infektion. Studien haben ergeben, dass eine Impfung vor Long Covid und Post Covid schützt. Vollständig geimpfte Personen leiden seltener unter Langzeitfolgen des Coronavirus. Sie durchleiden seltener einen schweren Verlauf und werden während ihrer Infektion seltener mit Komplikationen ins Krankenhaus eingewiesen.

Die Impfung ist für Kinder ab fünf Jahren zugelassen. Für Kinder, die unter Vorerkrankungen leiden, ist eine Impfung ab einem Alter von sechs Monaten möglich.

Nebenwirkungen können bei jeder Impfung auftreten, halten in der Regel aber nur über einen kurzen Zeitraum an. Die Coronaimpfstoffe gelten als sehr sicher. Sie werden auch nach ihrer Zulassung weiter streng überwacht. Bislang sind bei keiner Impfung Nebenwirkungen festgestellt worden, die erst lange Zeit nach der Impfung aufgetreten sind. Du kannst dich bei deinem Hausarzt oder deiner Hausärztin ausführlich über die Impfung beraten lassen.

Tipps für Betroffene: du bist nicht alleine!

Wenn du von Long Covid oder Post Covid betroffen bist, oder vermutest, davon betroffen zu sein, kannst du deine Symptome in einem sogenannten Symptom-Tagebuch festhalten. Die Erkrankung verläuft selten linear. Die Beschwerden schwanken und verändern sich. Das Tagebuch hilft dir, nachzuvollziehen, welche Faktoren Einfluss auf deinen Gesundheitszustand haben. Außerdem erleichtert es dir den Besuch einer Long Covid Sprechstunde. Es wird dir leichter fallen, deinen Krankheitsverlauf zu schildern. Im Internet findest du Vorlagen in Form von Bögen, auf denen du ankreuzen kannst, unter welchen Symptomen du leidest und wann sie auftreten.

Ein offener Umgang mit Long und Post Covid hilft dir und deinem Umfeld, besser mit der Erkrankung umzugehen. Viele Menschen scheuen sich davor, um Hilfe und Unterstützung zu bitten. Doch gerade Begleiterscheinungen wie das Fatigue Syndrom schränken massiv ein. Betroffene beschäftigen viele Gefühle, darunter auch Trauer und Frustration. Diesen Gefühlen Raum zu geben, ist wichtig für Körper und Seele. Gib dir aktiv Zeit, um dich auch mit negativen Gedanken auseinanderzusetzen. Sätze wie "du musst dich einfach zusammenreißen" helfen niemandem und können die Situation am Ende sogar verschlimmern.

Betroffenennetzwerke, die sich in den sozialen Medien formiert haben, bieten einen Schutzraum und Austausch. Hier werden Tipps ausgetauscht und Hilfsangebote geteilt. Vor allem geht es darum, Erfahrungen zu teilen, die Betroffenen Mut und Hoffnung schenken.